Crucifixus dolorosus
Köln, Mitte des 14. Jahrhunderts (?)
Holz, Reste verschiedener farbiger Fassungen; Höhe 2,32 m, Breite 1,62 m, Gesamttiefe 0,55 m
St. Severin, Ostjoch des Mittelschiffs, über dem Hauptaltar
Das gotische Kruzifix, das über dem Hauptaltar hängt, gehört zur Gruppe der sogenannten Crucifixi dolorosi, deren erste am Anfang des 14. Jahrhunderts in verschiedenen Regionen Europas angefertigt wurden. Das bekannteste Beispiel im Rheinland ist das Kruzifix in der Kölner Kirche St. Maria im Kapitol, das womöglich am Ort geschaffen wurde, doch nicht von einem Schnitzer, der in der rheinischen Kunsttradition stand. Es fand allerdings in der Region eine in mehreren ähnlichen Kreuzen bezeugte Nachfolge. Am Exemplar von St. Severin sind einige charakteristische Motive wiederholt, doch unterscheidet sich dieses auch deutlich vom Vorbild.
Leid und Tod des Gekreuzigten wurden wohl zuerst im Süden, vielleicht in Italien derart drastisch verbildlicht. Allgemeiner geistiger Hintergrund eines solchen Bildwerkes ist die spätmittelalterliche Passionsfrömmigkeit. Die gesteigerte Körperlichkeit und Darstellung von Schmerz rechneten mit einem vermehrten Schauverlangen. Wirklichkeitsnahe oder stark überzeichnete Spuren des Leidens - ausgemergelter Körper, entsprechend gezeichnete Gesichtszüge, plastisch aufgesetzte und gemalte Geißelmale - machten das Sterben des leibgewordenen Erlösers unmittelbar anschaulich.